Bestattungsreisen

05.02.2015 10:24

Horst E., Sozialarbeiter a.D., fand sich, nachdem ihm der Krebs die Lebensader abgezwickt hatte, zur Kühlung und Aufbewahrung im Krematorium der Stadt Düsseldorf.

Sein Sohn Julian (32) hatte es mehrfach vorwärts und rückwärts durchkalkuliert, aber Adam Riese sah es genauso: eine Bestattung Horsts in Deutschland rechnete sich null. Eine durchschnittliche Sargbestattung schlug mit  1900.- zu Buche, und da war noch gar keine Trauerfeier dabei, geschweige denn, was alles noch dazugehörte. Gut, der ebensowenig enthaltene Leichenschmaus generierte ebenfalls nur einmal Kosten und konnte pietätvollerweise spartanisch ausfallen, aber als Finanzberater bereiteten Julian die anschließend dauerhaft anfallenden Auslagen für Friedhofsgebühren und Grabpflege Kopfschmerzen. Zwar hatte er zu seinem Vater, nicht nur pekuniär ein Versager, kein großartiges Verhältnis gehabt, aber er verspürte - nicht nur aus geschäftlichem Interesse - keine Lust auf üble Nachrede wegen eines vernachlässigten Grabes. Zehn Jahre professionelle Grabpflege, danach wären des Vaters Saufkollegen ohnehin ebenfalls im Gottesacker, kosteten nochmals schlappe 5000 Euro. Bedauernswerte Menschen, die, anders als Julian, mit ihrer Trauer nicht fertigwurden und die Beerdigung nicht selbst organisieren konnten, benötigten obendrein noch einen Supervisor.

Vater Horst konnte all dem noch nicht mal tatenlos zusehen.

Das einzige Thema, das Julian mit seinem Vater verbunden hatte, waren die Berge gewesen. Freilich war der Vater im Gegensatz zum überhangkletternden Sohn nie über das Wandern hinausgekommen; aber die Schweiz mochten sie beide. Da fiel es Julian wie Schneeflocken von der Gletscherbrille: er hatte einmal von preiswerten Bergbestattungen in Helvetien gehört. Ein Blick ins Internet zeigte, wie professionell dieses Angebot bereits war: die Asche konnte u.a. in einer Almwiese in Gesellschaft von Edelweiß vergraben, an einem Steilhang in den Wind gestreut oder einem Bergbach oder Felsen anvertraut werden. Da der Vater es mit den Felsen nicht so sehr hatte und die obendrein deutlich teurer (um die €2000) waren, entschied sich Julian für die romantische Almwiesenlösung (€550) - all inclusive.

So musste Horst erst, aber immerhin in einer schwarzen Limousine, in ein anderes Krematorium reisen, welches seinen Kadaver für 400 Euro in Asche verwandelte. Zwei Wochen später fuhr er als schwarzer Staub und in eine Urne (€100) gehüllt im Auto seines Sohnes in die Schweiz.

Die Fahrtkosten ins pittoreske Appenzell, so hatte es Julian in der der Bestattunsgeinladung formuliert, schuldeten die Eingeladenem seinem Vater. Immerhin zwei Schnapskumpane und ein Cousin, den Julian seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte, waren schließlich da. Ein uriger Echtschweizer hielt eine wohltuend allgemein gehaltene Trauerrede, und ein verschwiegener Assistent beendete Horsts Reise im Erdreich zwischen wunderschönen Wildblüten. Besser, so befand Julian, hätte es Horst nicht widerfahren können; während Horst zu solch einer Einschätzung nicht mehr in der Lage war. So gingen Julian die achtzig Schweizer Franken Zeche für das anschließende Besäufnis, zu dem er die drei Gäste einlud, leicht aus der Geldbörse. Die Schnäpse in Kombination mit Julians professionell-eloquenten Ausführungen spülten anklingende Misstöne über seine angeblich nachlässige Sohnschaft schnell hinweg. Pietät und Portemonnaie waren versöhnt, und Julian wusste Vater Horst auf ewig wohlbehalten. Horst hätte, hätte er es können, geschlussfolgert, dass Verlauf, Ziel und Ende der letzten Reise völlig egal waren.

 

 

Nachdem der letzte Vorhang gefallen ist, schnell eine symbolische Grabbeigabe besorgen