Dubai
Die von ehemaligen Kameltandlern regierte Wüstenmetropole, stellte Spiegel-online-Journalistin Özlem N. fest, ist das Modellbeispiel des aller Regeln entfesselten Kapitalismus: buchstäblich auf Sand gebaute Wolkenkuckucksheime; eine Müllabfuhr, die mangels Kanalisation Fäkalien und Harn aus dem Boden pumpt (in den dies vorher abgeflossen ist); und indische Bautrupps, die gegen Bares im immer mal wieder bankrotten Emirat für die Presse eine Baustelle simulieren. Dazu Handwerksgesellen aller Herren Länder, die anfangs unter dem Schweiß pakistanischer Sklaven gute Geschäfte machen und einer Ostblockschönen die Shopping-Touren sponsern, um sich beim ersten ungedeckten Scheck im menschenrechtsfreien Kerker wieder zu finden. Für das Zwischenmenschliche gibt es ansonsten selbst in der lausigsten Sportbar Unzucht, Prostitution und Hurerei. Dekadenz, die unter die Haut in weiß, braun, schwarz, rot, gold geht - freilich immer unter dem Schleier der Burka.
Wem sich das alles auf der Fahrt vom Glitzerflughafen ins teuerste Hotel der Welt, das gleich von sieben Sternen beleuchtete Burj al Arab, nicht erschließt, recherchierte Özlem, kann sich drinnen guten Gewissens den Gaumen mit in Platin marinierten Wachteln verwöhnen, in der Skybar den weltteuersten Cocktail „27.321“ schlürfen, die Fingernägel mit echtem Venusstaub verzieren und den Darm mit Mäusemilch spülen lassen.
Ansonsten, hielt Özlem fest, geht man gemeinsam mit den während Jahrhunderten der Inzucht degenerierten und qua Geburt zur Arbeitslosigkeit verdammten Einheimischen Skifahren in der "Mall of the Emirates", denkt über ein neues Haustier jenseits des längst langweiligen Geparden nach, besucht zum Goldaufwiegen der Liebsten den Basar oder schießt bei einer Party Paintball auf echte Rubens-Gemälde. Die Ökobilanz einer Woche Dubai, wo bei gut vierzig Grad und praktisch hundert Prozent Luftfeuchtigkeit selbst die Bushäuschen und Straßenbeläge gekühlt werden, ist die einer Rundreise durch die Milchstraße. Für einen Mondpreis reicht indes bereits Dubai. Und dafür, dass die Abkühlung nicht anhält und stets erneuert werden muss, sorgen Dubais Dirnen. Da hatte Özlem den Titel ihres Beitrags für Spiegel-online: „Fuck you, earth!“
Halten tiefgekühlt in der Wüste länger: Reliquien