Mental in Mexiko (Editorial)

15.11.2015 10:11


Liebste Liebhaber der Ferne!

Das schönste am Reisen ist doch die Vorfreude; der Superlativ der Erwartungen, den Ihr Mentalplaner für Sie generiert. Verfügen Sie über ein Premiumkino im Oberstübchen, kann die Realität später kaum mithalten. Oder Sie finden die bestmöglichen Momentaufnahmen Ihres Urlaubs bereits vorab auf google pictures. Wir in der Redaktion haben uns während des siebten Dienstbiers viele Gedanken über dieses und anderes gemacht. Ergebnis: nichts weniger als eine neue Reisemethode, die wir für Sie erfinden durften. Wir nannten sie ***, nüchtern könnte man von fiktionalem Reisen sprechen. Als journalistische Innovation handelt es sich um die (ohnehin schon oft, wenn auch verschämt praktizerte) Transrecherche-Methode der Fiktions-Reportage: Wir denken uns für Sie die Wahrheit aus, die Ihnen gefällt, und Sie nehmen sie für bare Münze (!). Dabei gewinnen wir alle: wir, die Redaktion, eine blanke Null bei den Reiseauslagen, und Sie, liebe Leser, erhalten die Positivität einer erfundenen Weltsicht.

Stets für Sie auf dem Sofa in der ganzen Welt unterwegs:
Ihr Dr. Michael Höfler, Chefredakteur

 

Mental in Mexiko

Mexiko, das klingt nach safranfarbenem Prärieland mit Western-Kakteen und Rodeo-Rindern, nach  Pistoleros, nach Riesenschnauzbärten, scheunenbreiten Sombreros und antiseptischer Feuerküche. Doch tatsächlich bietet sich dem Besucher Mexikos ein ganz anderes Bild: Pittoreske Tafelberge erheben sich aus der goldenen Steppe. Filmreife Haziendas werden nur vom Horizont begrenzt und laden Sie in Massivholz-Kolonialstil zum besten Barbecue südlich der Arktis ein. Mariachis im Silberbeschlag-Anzug spielen ihrer Urlaubsbeziehung in persona eines Selma-Hayek-Lookalikes unterm Steinbalkon ein hinreißendes Ständchen, während sonnengegerbte Senioren im Sonnenuntergang Cocktailstäbchen aus Pinienholz schnitzen. In den Strandparadiesen hingegen erwarten den Besucher Schilfdächer, Leih-Chihuahuas, Avocado-Wellness und die schmackhaftesten Tequila-Frucht-Drinks im Universum.
Wer den Nervenkitzel sucht, übt sich im Zielspringen von turmhohen Klippen oder lässt sich Schauergeschichten aus dem Bundesstaat Guerrero erzählen. Hier muss man allerdings einräumen, dass der sog. "Drogenkrieg" in Mexiko reine PR-Folklore und Klischeepflege ist. Die Aufrechterhaltung der Legende mit allen Inszenierungen von Schießereien, Explosionen und tausenden Toten beschäftigt ein ganzes Ministerium. Dagegen sind sämtliche Positiv-Klischees über Mexiko zwar wahr, aber maßlos untertrieben. Beispielsweise kann die mexikanische Küche mit Original-Tex-Mex mühelos mithalten. Grund für die Untertreibung ist die Vermeidung von Massentourismus, der das Paradies Mexiko zerstören würde. Reisen Sie hin, um mit Ihrem Geld dem Land zu helfen, genau dies zu verhindern! Hasta-la-vista!

 

Hazienda im Bundesstaat Tabasco mit stolzer Pforte, die schon aus vielen Kilometern zu sehen ist.