Rom sehen und sterben
Alle Wege führen nach Rom. Besonders die von ungezählten Reiseanbietern und ihrer Kundschaft, die sich anstrengende Tage am Nabel der antiken Welt als Urlaub verkaufen lässt. Tatsächlich gleicht Rom einem Nabel. Zählen Sie mal die Tage, bis sich dort das Loch in Ihrer Bauchmitte mit Staub füllt.
Fußnagelstudiobetreiberin Peggy Q. aus Crimmitschau kam auf vier. Was sie in Rom sah, waren Staub, bröselige Steine, Staub und nochmals Staub. Zurück in Crimmitschau konnte Sie die dann die nur mehr fragmentarisch erkennbaren Historienstätten (Colosseum, Forum Romanum, Circus Maximus, Ostia etc.) per Mausklick in originaler Pracht vor sich sehen.
Doch Rom hat viel mehr zu bieten als antike Ruinen. Parallel zum Verfall der Vergangenheit hat man in der ganzen Stadt moderne Ruinen aus Misch- und Magerbeton errichtet. Um deren Grautöne zu flankieren, baute man zwischen je zwei Häuserzeilen eine Schnellstraße. In den Gassen dagegen, wo kein Schwerverkehr möglich ist, sorgen zehntausende lärmbegeisterte Mopedfahrer für all die Schmutz- und Grautöne, die Roms Stadtbild prägen.
Die Hälfte der Mopedfahrer hielt neben Peggy an, um sie auf ein Fruchteis oder eine Gurke einzuladen. Doch Peggy hörte sie bald nicht mehr, befand überdies die Straßenstaubcafés als zu unromantisch. Auf der lauschigen Piazza Navona hingegen blieben die Kavaliere aus.
Freilich erfüllt Rom alle Feinstaubrichtlinien der EU, denn Feinstaub ist wegen all des Grobstaubs schlicht nicht messbar. Um der in Rom lebenden Elite Italiens sein TV-Programm noch bunter sein zu lassen, hatte einst Spaßregent Berlusconi Rußfilter für alle motorgetriebenen Fahrzeuge verbieten lassen.
Tatsächlich ist Rom mit seinen millionen meist alten Touristen die letzte Bastion gegen die Alterung der Gesellschaften. Der Volksmund hat es schon vor zweitausend Jahren gewusst: Rom sehen und sterben.
Peggy wurde immerhin 42 - zwei Tage bevor sie in Crimmitschau vom alten Rom träumend einen Fiat überhörte und dessen Aufprall auf ihren Körper erlag.
Wassererprobte Flüchtlinge (aus Pakistan) stellen für Touristen den antiken Service der Galeerensklaven dar.